Was bedeutet Barrierefreiheit?
Wörtlich genommen kann Barrierefreiheit wohl lediglich angestrebt, aber nicht erreicht werden. Menschen, die keine Möglichkeit haben einen Computer mit Internetanschluss zu nutzen, die Sprache des Angebots nicht verstehen oder nicht lesen können, haben keine Möglichkeit selbstbestimmt auf bereit gestellte Informationen zuzugreifen. Für Menschen mit eingeschränkter Sinneswahrnehmung gilt, dass Untertitel für Videos und Tondokumente und beschreibende Texte zu Bildern die sinnliche Erfahrung der Originaldokumente sicherlich nie vollständig ersetzen können und auf dem Display eines mobilen Telefons wird ein langer und komplizierter Text kaum sinnvoll zu erfassen sein.
Aber das sind Extremfälle im Blick auf Barrierefreiheit, die weitaus meisten Hindernisse sind hausgemacht und vermeidbar. Internetangebote, die einen ganz bestimmten Browser voraussetzen, eine bestimmte Schriftgröße vorschreiben, wichtige Informationen in Bildern oder bunten Animationen verstecken und den Seitenaufbau ausschließlich von der optischen Wirkung abhängig machen ohne logische Dokumentstrukturen anzubieten, setzen unnötige Grenzen.
Mit den heute zur Verfügung stehenden Techniken ist es dagegen möglich durch den konsequenten Einsatz von CSS eine breite Zugänglichkeit der Inhalte mit einer ansprechenden und auch optisch aufwändigen Präsentation in modernen Browsern zu kombinieren. Richtig angewendet ermöglicht diese Technik zugängliche, "barrierearme" Webangebote, die von vielen Menschen mit ganz verschiedenen Geräten genutzt werden können.
Daneben steht "Barrierefreiheit" als Fachbegriff, der die Zugänglichkeit von Gebäuden, aber auch die Nutzbarkeit von Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen für Menschen mit Behinderungen einfordert und für bestimmte Bereiche des öffentlichen Raums vorschreibt. Hier wurden (zum Teil mehrstufige) Richtlinien entwickelt, die umgesetzt werden müssen um ein Angebot als "barrierefrei" einzustufen. Wer das beansprucht sollte die zugrunde gelegten Richtlinien nennen, z.B.: "barrierefrei im Sinne der BITV"; "erfüllt die Checkpunkte der Prioritätsstufe 2 der WAI-Richtlinien". Eine gesetzliche Verpflichtung zur barrierefreien Gestaltung von Internetangeboten besteht in Deutschland bisher nur für eine relativ kleine Gruppe von Anbietern - in erster Linie Behörden und nachgeordnete Institutionen - die gesellschaftliche Anerkennung und Erwartung der Umsetzung einschlägiger Richtlinien steigt jedoch stetig.
Barrierefreiheit überprüfen
Kaum ein Kriterium barrierefreier Webseitengestaltung lässt sich mit rein technischen Mitteln komplett erfüllen, abfragen und überprüfen. In den meisten Fällen müssen letztendlich menschliche Bearbeiter entscheiden, ob einzelne Kriterien erfüllt sind oder nicht. Programme können hier jedoch wertvolle Hinweise auf problematische Punkte und notwendige Prüfschritte geben, die Entscheidung, ob etwa ein Bild eine inhaltliche Aussage transportiert, oder es sich lediglich um ein graphisches Element handelt, muss in jedem Fall ein Mensch treffen. Im Idealfall sollte die Zugänglichkeit eines Angebots auch im Praxistest durch Betroffene geprüft werden.
Die Verfahren zur Erstellung barriefreier Webseiten werden ständig verbessert und weiterentwickelt. Manche Vorgehensweisen sind umstritten, da z.B. den Vorteilen für eine Nutzergruppe, Nachteile für eine andere entgegenstehen. Andere Verfahren sind z.Zt. notwendig, um Schwächen bestimmter Anwenderprogramme auszugleichen, wenn diese in Zukunft behoben werden, könnte darauf verzichtet werden. In diesem Sinne erfordert barrierefreies Webdesign auch Weiterbildung und Kommunikation. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Erstellung von barriefreien Internetangeboten oft weniger eine technische, denn eine konzeptionelle und redaktionelle Aufgabe ist. Beratung und Schulung sollte daher immer ein Bestandteil der Umstellung auf barrierfreie Angebote sein.
Barrierefreiheit für alle
Wenn von barrierefreien Internetangeboten die Rede ist, geht es häufig zunächst um die besonderen Bedürfnisse Blinder und Sehbehinderter, zuweilen wird dann einfach auf eine alternative Textversion einer Webseite verwiesen und die Welt scheint wieder in Ordnung. Aber die Hindernisse, denen Menschen bei der Nutzung des Internets begegnen, sind ganz vielschichtig und unter widrigen Umständen kann die Kur für eine Nutzergruppe sogar neue Hindernisse für eine andere errichten.
- Informationen, die ausschließlich über Bilder oder graphische Elemente vermittelt werden, schließen blinde Menschen aus.
- Falsche Schriftgrößen, geringe Farbkontraste oder bestimmte Farbkombinationen können es für sehbehinderte Menschen unmöglich machen, Inhalte zu erfassen.
- Angebote, die die Nutzung der Maus voraussetzen, stellen Menschen mit motorischen Problemen, die auf Tastatursteuerung angewiesen sind, vor unüberwindbare Hindernisse.
- Blinkende, animierte Seitenelemente verstärken bei manchen NutzerInnen Konzentrationsstörungen und behindern dadurch die Informationsaufnahme.
- Komplexe, ungegliederte Texte können bei der Sprachausgabe oder auf dem Display eines Kleincomputers gar nicht mehr nachvollzogen werden.
- Der Verzicht auf den großzügigen Einsatz grafischer Navigationselemente oder die akustische Wiedergabe von Texten schränkt für Menschen, die die deutsche Schriftsprache nicht oder unvollständig beherrschen den Zugang merklich ein.
- Reine Textangebote können unter Umständen für Gehörlose schwer verständlich sein, wenn auf den Einsatz von Gebärdensprachvideos zur Vermittlung komplexer Informationen in der Muttersprache verzichtet wird.
Nicht alle Hindernisse lassen sich in jedem Einzelfall beseitigen, es gilt jedoch mit Nachdruck unnötige Barrieren aufzuspüren und zu beseitigen. Davon profitieren letztendlich alle: behinderte wie nicht behinderte Nutzer genauso wie die Betreiber selbst.